„Was meinst du damit, ich soll den Neuen verführen?“
Perplex sah ich meine Mitschülerin an.
„Na genau das. Du sollst den Neuen verführen. Mensch, Bella, ich hab nicht gedacht, dass du so schwer von Begriff bist. Echt nicht. Aber, wenn du diese Wortwahl nicht verstehst, dann vielleicht eine andere.“, meinte sie schnippisch. „Du sollst ihn flachlegen, bumsen, ficken, Sex mit ihm haben oder wie auch immer du es nennen willst.“ Sie seufzte überdramatisch. „Oder willst du aussteigen, bevor du überhaupt drin warst?“
Sie zog eine Augenbraue hoch und forderte mich still heraus, dem zuzustimmen. Hätte ich das doch getan. Mein Leben wäre so viel ruhiger verlaufen und sicher mit wesentlich weniger Drama. Aber wie hat Konfuzius gesagt: „Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu Handeln; erstens durch Nachdenken, das ist das Edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist das Leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist das Bitterste."
Ich sah kurz auf meine Füße und rief mir erneut in Erinnerung, wie sehr und lange ich schon ein Mitglied von ihnen sein wollte. Verdammt. Warum musste ausgerechnet ich so eine blöde Aufgabe bekommen.
„Nein, natürlich will ich nicht aussteigen.“ Sie atmete kurz durch und sah ihre Gegenüber fast schon flehend an. „Aber muss es ausgerechnet diese Aufgabe sein? Du weißt, ich bin mit Jake zusammen-“
„Jake ist nicht hier. Er ist immer noch in Europa und wird es auch noch die nächsten zwei Monate sein. Er wird also nie was davon erfahren. Außerdem-“ Wieder ein dramatischer Seufzer. „in den heutigen Zeiten wird einem ein kleiner Seitensprung leicht verziehen. Woher willst du denn wissen, dass er dir so treu geblieben ist in den letzten neun Monaten?“
Ich zuckte deutlich zusammen.
„Also machst du es nun, oder nicht? Denn wenn nicht, dann kann ich dir garantieren, dass du den Verlust mehr spüren wirst als wir. Denn wir finden immer jemand anderen. Wir brauchen dich nicht. Wir bieten dir hier eine Chance. Vielleicht solltest du mal überlegen, ob du das wirklich so sehr willst.“, schloss sie ihre Rede mit erhobener Nase und verschränkten Armen.
Verflucht, verflucht, verflucht!
Ich kniff meine Augen zusammen. „Na gut. Ich mach’s. Ich tu’s.“, antwortete ich schnell. „Wie lange habe ich dafür Zeit?“ Ich öffnete meine Augen, um ihr ins Gesicht zu sehen. Natürlich war sie mehr als zufrieden damit, dass ihre Taktik mal wieder funktioniert hatte.
„Du hast… Hm… sagen wir mal, bis zu deinem Geburtstag Zeit. An dem darauffolgenden Montag bist du dann entweder ein Mitglied… oder eben nicht.“ Sie grinste breit. „Natürlich brauchen wir dann einen Beweis. Nicht dass du uns da etwas erzählst, was gar nicht stimmt. Es könnte schließlich sein, dass der Neue tatsächlich so doof ist und mitspielt, wenn du ihm davon erzählst.“
Ich sah sie kurz geschockt an. Okay, der Gedanke war mir für eine Sekunde gekommen, aber, wenn wir mal ehrlich sind, die Wahrscheinlichkeit, dass er mitspielen würde, war doch wohl eher verschwindend gering, oder?
„Was für einen Beweis?“, stotterte ich hervor.
Sie sah, während sie nachdachte, rechts oben in eine Ecke, als ob dort irgendetwas ganz Interessantes wäre. Dieser Blick erinnerte mich an die Interviews mit Fußballern, die ich im Fernseher gesehen hatte. Besonders helle kamen sie mir dadurch nicht vor. Vielleicht… ‚Ah, Bella, stopp. Du willst das hier doch! Vermassel es dir nicht. Das ist deine Chance!‘, ermahnte ich mich in Gedanken.
„Okay, ich hab’s.“ Sie kicherte viel hoch. „Du nimmst alles auf Video auf. Und keine schlechte Qualität oder so. Nicht dass du uns hier irgendeinen Porno vorspielst, nur weil man keine Gesichter und Körper identifizieren kann.“ Ihr Grinsen war schon ein wenig diabolisch. Sie genoss es, zu sehen, wie ich mich wandte. „Da wir alle wissen, dass du nicht besonders reich bist…“, lachte sie leise, „…werden wir dir die Ausrüstung stellen. Ich gebe dir morgen früh eine meiner Kameras. Wo und wann ist uns egal, solange du den Zeitrahmen einhältst.“
Sie sah von oben auf mich herab. Nicht nur weil ich einen halben Kopf kleiner war als sie. Sie war in der Hackordnung dieser Schule eine der obersten Hennen und konnte Leuten das Leben zur Hölle machen, so viel sie wollte. Selbst die Lehrer taten wenig dagegen.
„In Ordnung.“, gab ich mich geschlagen.
„Das wird ein Spaß! Dann bis Morgen, Bella.“ Sie drehte sich schwungvoll um und schritt den Flur hinunter in Richtung ihrer nächsten Stunde. Ich blieb an Ort und Stelle stehen und hoffte, dass der Boden sich auftun und mich verschlingen möge.
„Ja, und was für ein Spaß.“, flüsterte ich sarkastisch mehr zu mir selbst und nahm die letzten Sachen aus meinem Spind, bevor auch ich mich auf den Weg zur nächsten Stunde machte. Chemie.
So meine Lieben. Das war der Prolog zu meiner überarbeiteten FF. Wie vielleicht manche bemerken - falls sie sie von früher kennen - hat sich Bella verändert und auch ihre Einstellung. Ich hoffe, ihr seid neugierig genug, um herausfinden zu wollen, wie's weiter geht.